Cindy Sherman, die bekannte amerikanische Fotokünstlerin, war immer schon ihr eigenes Modell und Motiv. In unzähligen Kostümen, bis zur Unkenntlichkeit geschminkt und verkleidet, hinterfragt sie Rollen- und Geschlechterklischees, gesellschaftliche Masken und die Bilderschwemme der Gegenwart. Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt derzeit die vieldiskutierte Ausstellung „Cindy Sherman – Anti-Fashion“, die Streiflichter auf das Verhältnis der Künstlerin zur Modewelt wirft. Eine Gruppe des Kunstvereins Göppingen hat in der Werkschau eine Führung mitgemacht und sich mit Schönheit und bewusster Hässlichkeit auseinandergesetzt.

„Vogue“, „Harper’s Bazaar“ – viele Modezeitschriften reißen sich um Cindy Sherman. Bekannte Designlabels schicken ihr Kleider zu. Und warum? Weil sie Mode auf einzigartig verstörende Weise in Szene zu setzen versteht. Die oft großformatigen Fotografien in der Staatsgalerie inszenieren Gruselclowns, alternde Partygirls und diverse Randfiguren der Gesellschaft. Alle diese Außenseiter-Charaktere werden verkörpert durch die Künstlerin selbst, und alle haben die Gemeinsamkeit, in feinen Zwirn gehüllt zu sein. Bei manchen wirkt das schrille Outfit wie die Uniform der sozialen Gruppe, der sich die jeweilige Person zugehörig fühlt. Bei anderen drängt sich der Gedanke auf, da habe ein Mensch drei Jahresgehälter zusammengekratzt, um einmal im Leben ein teures Kleid zu besitzen.

Shermans Bilder haben mit klassischer Modefotografie nicht das Mindeste zu tun, sind oft eher als Kritik daran verstehbar, und bleiben doch gerade darum im Gedächtnis. Was die Künstlerin zu einer Grenzgängerin zwischen Glitzerwelt und Museum macht. Sich von den Exponenten des Pariser oder New Yorker Chic hofieren zu lassen, um sie gleichzeitig zu hinterfragen, stellt für Sherman keinen Widerspruch dar, sondern zwei Seiten einer Medaille. Häufig gibt es sogar zwei Versionen eines Fotos: die eine gedacht für die Hochglanzmagazine, die andere für Galerien und Ausstellungshäuser.

Die Besucherinnen und Besucher aus Göppingen erleben eine Ausstellung, die Shermans verschiedene Facetten gekonnt zusammenfasst und auf ansprechende Art präsentiert. Nicht zuletzt auch wegen der kompetenten Führung wird ihnen der Besuch in der Landeshauptstadt noch lange in Erinnerung bleiben.