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Fotos: Lukas Hurm

Kunst im öffentlichen Raum 2016 des Kunstvereins

Stefan Strumbel. Spende Blut

Blutspende – Was ist der öffentliche Raum?

In Göppingen ruft Stefan Strumbel als künstlerisches Projekt im öffentlichen Raum im Oktober 2015 zur Blutspende auf, wissend um die Tragweite der künstlerischen Geste und der Bedeutung des öffentlichen Raums. Der öffentliche Raum beschränkt sich nicht auf eine städtische Anlage oder einen Platz, sondern stellt den Menschen, seine soziale Teilhabe und sein Handeln im gesellschaftlichen Leben in den Vordergrund. Die Performance der Blutspende präsentiert den öffentlichen Raum als Netzwerk des Spendens und Empfangens.

Blut zu spenden ist eine soziale Handlung und Strumbel lädt durch seinen Aufruf zu dieser Handlung ein. Im Sinne von Joseph Beuys lässt er eine soziale Plastik entstehen, deren Theorie besagt, jeder Mensch könne durch Handeln zum Wohl der Gemeinschaft beitragen und dadurch auf die Gesellschaft einwirken. Beuys definierte als sozial die Erkenntnis, dass jeder Mensch sich als schöpferisches und die Welt bestimmendes Wesen erfasst.(1)

Jedoch covert Stefan Strumbel den erweiterten Kunstbegriff von Beuys: Es ist die plakative Sprache des Pop und kalkuliert setzt er das Symbolpotential des Blutes in all seiner Kulturgeschichte und Farbe ein. Dem ideellen Sozial-Leib von Beuys stellt Stefan Strumbel den reellen Bluttransfer der Bürger Göppingens gegenüber. Dabei kürt der Künstler jeden Spender, der mit seinem Blut Teil eines umfassenden Kunstwerks wird. So postet ein Teilnehmer der Performance eine Fotografie seines Armes mit Nadel in den sozialen Netzwerken mit folgendem Satz: „Ich bin ein Strumbel“. Dieses Bild ist an Stärke und Vehemenz nicht zu übertreffen. Unmittelbar sind die Bürger Teil seiner Kunst und in den Werkprozess
einbezogen worden.

Ein Roman von Simone de Beauvoir mit dem Titel „Das Blut der anderen“ aus dem Jahr 1945 veranschaulicht die tragische Verstrickung des Nicht-Handelns des Individuums einerseits und der Verantwortung gegenüber den Mitmenschen andererseits.(2) Die Autorin lässt den Protagonisten Marcel, seine Theorie der Kunstbetrachtung entwickeln, dem sogenannten produzierenden Betrachter. Das bedeutet, dass der kreative Akt vom Künstler nicht alleine vollzogen werden kann, sondern bedarf des aktiven Betrachters, der das Werk mit der Welt in Kontakt bringt; der die Kunst sozialisiert, der Kunst und Leben untrennbar miteinander verknüpft. Das DRK betreute diese Performance, das gespendete Blut gelangte vollständig an eine bereits festgelegte medizinische Institution.

Veronika Adam

(1) Vergleiche: Harlan, Rappmann, Schatta: „Soziale Plastik, Materialien zu Joseph Beuys“, Achberg 1976, S 121 ff
(2) Simone de Beauvoir, „Das Blut der anderen“, Hamburg 1963

VERANSTALTUNG

Eine Kooperation des Kunstvereins Göppingen und dem Blutspendendienst des DRK